MMW, Iko Chmielewski, Schulstr. 10, 26316 Varel
Steffen Schwärmer
Stadt Varel
-Der Bürgermeister-
21.10.11
Sehr geehrter Herr Wagner,
hiermit stellt die MMW den Antrag auf die Wiederbesetzung einer zweiten Stelle durch eine männliche pädagogische Vollzeitkraft (Dipl. Sozpäd. / Erzieher) im Jugend- und Kulturzentrum Weberei in Trägerschaft der Stadt Varel
Im Sommer 2010 wurde eine vorhandene zweite Planstelle für eine pädagogische Fachkraft mit dem Ausscheiden des damaligen Stelleninhabers durch Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht wieder neu besetzt. In der Öffentlichkeit wurde diese Maßnahme kaum wahrnehmbar kommuniziert. Ein Konzept, basierend auf zunehmenden Einsatz von Honorarkräften bzw. ehrenamtlichen Jugendleitern sollte das Personalloch schließen.
Dies ist nicht nur Ausdruck von geringer Wertschätzung dieser beruflichen Tätigkeit, sondern abträglich für die Einrichtung und ihr Angebot.
1. Kontinuität
Gerade ein Freizeitzentrum mit offenem Bereich benötigt in der pädagogischen Betreuung Kontinuität. Die Besucherschaft ist häufig wechselnd, soziokulturell äußerst heterogen und sucht das Haus anlassbezogen oder auch spontan auf. Eine pädagogische Arbeit in diesem Bereich wird also weniger thematisch inhaltlich getragen, sondern durch ihre Begegnungsqualität.
Dieses ist durch stundenweisen Einsatz und ohne professionelle pädagogische Ausbildung nicht angemessen zu gewährleisten, zumal Hilfskräfte aufgrund ihres Alters und ihrer Lebensphase erfahrungsgemäß sich privat und beruflich ständig neu orientieren. Junge Erwachsene z. B. die als Jugendleiter eingesetzt werden sind oftmals nur kurz im Einsatz.
Die Kontinuität ist aber nicht nur in Bezug auf das pädagogische Personal wichtig, sondern auch bei der Öffnungszeit. Eine Freizeitstätte muss täglich zur gewohnten Zeit geöffnet sein. Bei einer Vollzeitkraft ist dies auf die Dauer nicht leistbar (z.B. bei Urlaub, Krankheit, Fortbildung).
2. Gender
Die Besucher und Besucherinnen benötigen unbedingt männliche und weibliche vertrauenswürdige Ansprechpartner. Hierbei geht es nicht nur um Rollen-Funktion, denn der Pädagoge / die Pädagogin ist nicht nur in dieser Funktion gesondert auch als Mensch hinterfragt. Individuelle Probleme der weiblichen und männlichen Kinder und Jugendlichen / jungen Erwachsenen, die die Weberei aufsuchen, erfordern häufig geschlechtsspezifische Beratung / Betreuung.
3. Programm
Eine pädagogische Vollzeitkraft kann bestenfalls Aufsicht und Begleitung gewährleisten im offenen Bereich. Rückzug für ein intensives Beratungsgespräch ist ebenso wenig gegeben wie die Durchführung weiterer bedarfs- und themenbezogener Angebote wie AG`s im bildenden, kreativen, musischen, spielerischen oder auch sportiven Bereich oder aber die Planung, Durchführung und Abwicklung von Veranstaltungen. Es besteht die Gefahr einer methodischen Verödung und Langeweile.
4. Publikum
Die Arbeit und das Angebot in Freizeitstätten haben sich in den Jahren verändert. Hier sind nicht mehr nur interessierte, engagierte und sozial integrierte junge Menschen zugegen, die ohnehin aufgrund ihrer Möglichkeiten im Freizeitsektor besser und breit gefächerter partizipieren können.
Der sozialpädagogische Förderbedarf des Adressatenkreises hat sich anerkanntermaßen sehr verändert, d.h. dramatisch erhöht, ohne den Besucherkreis der Weberei stigmatisieren zu wollen. Es gibt viele BesucherInnen mit Migrationshintergrund, relativ schlechter schulischer Bildung sowie sonstiger Benachteiligungen und entsprechendem Sozialverhalten. Hier ist eine besonders intensiv- pädagogische Betreuung notwendig.
Ein soziokulturelles Mischpublikum mit jungen Menschen, die miteinander umgehen und voneinander lernen, erhöht gegenseitige Empathie sowie Integration im Sinne des Gemeinwesens.
Vor diesem Hintergrund ist die Streichung der Stelle besonders kontraproduktiv und entwertet diese Bedarfe, da der Adressatenkreis lobbylos ist.
5. Reflektion
Die besonders spezifische Belastung der Arbeit (inhaltliche Vielfalt, heterogener Adressatenkreis, schlechte Planbarkeit, Arbeitszeiten etc.) erfordern eine besondere Notwendigkeit einer ständigen Reflektion, Rückmeldung und mitunter gemeinsames Auftreten. Dieses ist unzumutbarerweise bei einer Stelle nicht gegeben. Auch wöchentliche Dienstbesprechungen mit KollegInnen aus anderen Einrichtungen sind da nicht ausreichend.
6. Teilnahme an außer-häuslichen Gremien
Eine Freizeitstätte lebt von Ihrer Akzeptanz und dem Eingebundensein im öffentlichen Kontext. Hierfür ist eine Präsenz der MitarbeiterInnen der Weberei in Gremien zu sozialpolitischen Fragestellungen im Gemeinwesen notwendig (beispielsweise Agenda, AK Schulsozpäd oder ambulante Dienste der Erziehungshilfen). Dieses ist bei nur einer Pädagogin nicht leistbar.
7. Aufsichtspflicht
Eine pädagogische Vollzeitkraft kann unmöglich haftungsrechtlich angemessen die Aufsichtspflicht im gesamten Gebäude und dazugehörigen Freigelände während der Öffnungszeiten gewährleisten. Eine Trennung zum Freigelände ist inhaltlich unsinnig, da Gebäude und Skaterbahn / Park z.B. ständig im inhaltlichen Zusammenhang stehen. (Unseres Wissens besteht zurzeit eine Trennung, d.h. die Skaterbahn ist von der Aufsicht ausgeschlossen)
Mit besten Grüßen
Steffen Schwärmer